Ich mach ein Lied aus Stille: Gedichte - edizione con copertina flessibile

1960 habe ich angefangen, Gedichte zu schreiben. Das hatte mit einer persönlichen Verwicklung in der Beziehung mit Strittmatter zu tun. (...) Da passierte dieser Dammbruch, unter diesem Katastrophenhorizont habe ich plötzlich mit Gedichteschreiben angefangen. Obwohl ihm das völlig verborgen blieb, er wußte nichts davon, es wußte niemand anders davon. 1966 habe ich dann die ersten Gedichte veröffentlicht, ganz andere natürlich, aber von da an kam diese Eruption. Das Gedichteschreiben stellte sich dann ein und wurde zu einem Kontinuum. Es tauchten plötzlich Wortfetzen auf, dieses Einschießen von bestimmten Zeilen, um die sich etwas kristallisiert. In der Zeit von 1965 auf 1966 habe ich es Strittmatter dann signalisiert und ihm die mir wichtig erscheinenden Gedichte gezeigt. Eins davon war "Lupinenblau". Er hat gestaunt und war sehr berührt. Er hat sehr zeitig von den Gedichten etwas gehalten. Wir haben immer gegenseitig die Sachen des anderen als eigene mitgesehen. Eva Strittmatter im Gespräch, aus der Doppel-CD "Eva Strittmatter: Gedichte und Selbstauskünfte. Mit einem Feature von Bert Koß", Der >Audio< Verlag 2002 Lange Zeit schrieb Eva Strittmatter Gedichte, von denen niemand wußte. Nach Jahren erst erfuhr zunächst Erwin Strittmatter davon, dann, 1966, konnten auch die Leser der Literaturzeitschrift NDL Gedichte von ihr lesen. "Ich mach ein Lied aus Stille" war ihr erster Gedichtband. Die Texte suchten und fanden Adressaten, und die Resonanz war von Anfang an überwältigend. Hier artikuliert eine Stimme rückhaltlos Gefühle, die den meisten Menschen vertraut sind. Sie spricht in einfachen, bildhaften Versen von Lebenswünschen und ihrem Verschleiß im Alltag, von Ängsten, Hoffnungen und Zweifeln, vom Fernweh und der Neugier auf Leben. Immer berühren sich dabei die Gegensätze, immer bleiben die Dinge im Fließen: Solange Glut ist / Kann auch Feuer sein. Bewegung statt Momentaufnahme reflektiert auch die Begegnung mit der Natur. Gerade die Prozesse, die jahreszeitlichen Veränderungen sind es, die Brücken zu den menschlichen Erfahrungen schlagen. Sie können aus dem Lupinenblau der Kindheit aufscheinen, aus dem Schweigen hinter den Hügeln, dem Wechsel von Entstehen und Vergehen. Aus solchen Signalen wachsen die Fragen nach dem Sinn des eigenen Lebens, das sich im Überfluß verschwenden möchte und Worte setzen wie Spuren im Neuschnee.