Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum Geschichte und Deutsche Litteratur, 1905, Vol. 8 (Classic Reprint) - edizione con copertina flessibile

Excerpt from Neue Jahrbücher für das Klassische Altertum Geschichte und Deutsche Litteratur, 1905, Vol. 8

Für die Homerforschung neuerer Zeit ist es charakteristisch, daß das von Lachmann und Kirchhoff begründete Verfahren der Aufspürung von Wider sprüchen und Zerlegung nach Kompositionsfugen mehr und mehr zurücktritt. Vereinzelt findet es immer noch eifrige Anhänger; im ganzen aber verbreitet und befestigt sich die Überzeugung, daß die Technik in einer drei Jahrtausende alten Dichtung nicht nach dem Maßstäbe beurteilt werden darf, den eine ge reifte Wissenschaft mit der ihr eigenen Korrektheit und Konsequenz des Denkens an die Hand gibt. Die besonderen psychologischen Gesetze, nach denen sich im Geiste homerischer Sänger die Teile ineinander fügten, zu sr kennen und nachzuempfinden, ist keine leichte Aufgabe, doch auch keine an der wir zu verzweifeln brauchten. Erst jüngst hat der glänzende Beitrag zu ihrer Lösung, den Zielinski mit seiner Studie über die Darstellung gleichzeitiger Ereignisse gab, die Hoffnung bestärkt, daß wir auf diesem Wege noch weiter kommen und uns immer mehr dem Ziele nähern werden, ein kindlich un beholfenes aber lebendiges Denken mit den Ausdrucksmitteln und Vorstellungs formen einer nüchtern-verständigen, durch Abstraktion geklärten Sprache zu beschreiben.

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